Bericht von Guido Wagner (1994)
STELLA ALPINA, das höchstgelegene Motorradtreffen der Welt
Europas grösstes Endurotreffen STELLA ALPINA findet jedes Jahr am zweiten Juliwochenende im italienischen Piemont bei BARDONECCHIA (Region Turin Þ Susa Þ Bardonecchia) statt. Zirka 1000 Motorräder zieht es jährlich an diesem Wochenende hierhin, und wer Spass hat am Off Road- und Schotterpisten-Fahren in den Hochalpen, ist hier am richtigen Ort.
Von Bardonecchia (ca. 1300 M.) aus gehts eine halbe Stunde über Naturstrasse hoch zum "Refugio" (2200 M.), einem wunderschönen Hochtal, wo auf einer grossen grünen Wiese um einen Bergsee herum campiert wird. Hier haben wir unsere Zelte aufgeschlagen, mit dem Camping-Kochgeschirr experimentiert (remember: Capponi-Omeletten) und uns selber mit Indianertee geheizt, als es abends dann ein wenig kühler wurde.
Im Verlaufe des Sonntagmorgens fährt man, wenn man will, vom Refugio aus weiter hinauf, über abenteuer- liche Militärweglein aus dem Weltkrieg, an denen seither auch nur das allernötigste repariert wurde.
Über viele Serpentinen geht es hoch bis man irgendwo an der Schneegrenze angelangt, wo man von Signore Artusio, dem Organisator, ein Gratis-Sandwich in Empfang nehmen kann. T-Shirts und Jahresplaketten gibts auch, müssen aber bezahlt werden. Hier wird natürlich mit dem Segen der Gemeindeverwaltung gefahren und es wird gebeten, den Landschaden so gering wie möglich zu halten. An der Schneegrenze ist dann meistens Ende Feuer, nur einige Trial-Motorräder kommen noch ein wenig weiter. Wer einen sehr heissen Sommer erwischt oder ein paar Wochen später hingeht, kann vielleicht sogar bis zur verlassenen Berghütte auf dem Colle de Sommelier (3033 M.) hochfahren und sich je nach Bedarf mit Slogans wie "War hier oben mit Yamaha XT 600 Gepäck und Freundin - Knut Schwarz - Worms Germany - 26.08.90" oder ähnlichem verewigen.
Vom Refugio aus kann man auch sehr gut Ausflüge in die Bergwelt im ital./franz. Grenzgebiet starten.
Beliebt ist der steile Mont Jaffereau (2800 M.), wo man den Gasgriff am Besten von Anfang an offen lässt bis man oben ist, da es an vielen Stellen einfach zu steil zum Anhalten ist.
Eine schöne Tour ist auch die Assietta-Kammstrasse, auf der man viele Kilometer auf einer Höhe von ca. 2500 M. von einer Bergspitze zur anderen fahren und eine tolle Aussicht auf die umliegenden Berge geniessen kann. Oder man schliesst sich einer Gruppe an, die man kennt und welche gerade eine neue Route ausprobiert, wie wir es letztes Jahr gemacht haben.
Der höchste "befahrbare" Berg dieser Region ist der Mont Chaberton mit 3130 M., dieser ist aber am Sa/So wegen der Wanderer für Motorräder verboten. Hält man sich nicht daran, muss man damit rechnen, mitten im Wald von der Polizei geschnappt oder vom Polizeihelikopter abgefangen zu werden.
Eines morgens konnte ich nicht lange auszuschlafen: Kuhglockengebimmel war zu hören und wurde langsam immer lauter. Als es bereits Kuhglockengedröhne war, schaute ich aus dem Zelt: eine der Kühe war gleich neben dem Zelt am grasen. Ich setzte mich auf meinen Campingstuhl und observierte das geschäftige Treiben. Als sich die Kuh dann ungeniert näherte bis auf 30 cm, spielte ich mit dem Gedanken, den nötigen Respekt mittels pyrotechnischen Scherzartikeln wieder ins Gedächtnis zurückzurufen, aber eigentlich wollte ich ja nicht, dass die Milch im Euter sauer wurde. Da kam der Hirtenhund und zwickte der Kuh ins Bein, welche sich darauf blitzartig verabschiedete. Der Hirt trieb die Herde dann weit hinauf auf die Alm und ich habe diese Kuh nie mehr gesehen.
Allgmeine Informationen
Wer es gerne ein wenig luxuriöser hat als im Zelt zu schlafen (es kam auch schon vor, dass es einem im Refugio am morgen beim Zeltöffnen ins Gesicht geschneit hat), kann in Bardonecchia ins Hotel gehen oder problemlos im grossen Stadtpark zelten. Alles am Stella Alpina ist fakultativ, es gibt keine "Eintrittsgebühr", wie bei anderen Motorradtreffen, zelten und Feuer machen kostet sowieso nix und Verpflegung einkaufen kann man günstig im Laden vis à vis vom Bahnhof Bardonecchia.
Habe am Stella '94 für 4 Tage inkl. Benzin, Autobahngebühr, Restaurantbesuch und
überhaupt allem total 150 Sfr. ausgegeben. Entfernung Basel - Bardonecchia: ca. 550 km.
Ich empfehle, für Stella Alpina ein verlängertes Wochenende einzusetzen:
Freitag gemütlich hinfahren, (z.B. über Gr. St. Bernhard, Kl. St. Bernhard, Col de
l'Iseran und Col de Mont Cenis) Montag retour. Die meisten Motorräder, die man antrifft,
sind Enduros, es sind aber auch schon vereinzelt so exotische Fortbewegungsmittel wie
Honda VF 750.C, Yamaha FJ 1200, Harleys oder Seitenwagen-Dnjepr gesehen worden. Trotz
allem ist es von Vorteil, grobstollige Reifen zu montieren.
Organisator Signore Artusio
Tel.0039 / 1159 9573
Er spricht italienisch und englisch.
Info auch unter: http://de.wikipedia.org/wiki/Stella_Alpina_(Motorradtreffen)